Gestern hat der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies im Landtag die neue Verordnung zum Trinkwasserschutz in der Umgebung von Erdöl-/Erdgasbohrungen vorgestellt. Die Verordnung ist das Ergebnis einer Einigung zwischen der Landesregierung und der Förderindustrie, den Wasserlieferanten, den kommunalen Versorgern und der IG BCE.
Herr Lies betont, dass „mit dieser Einigung Natur- und Wasserschutz und die behutsame Nutzung unserer Erdgasvorräte in Einklang gebracht werden„. Eindeutige Zustimmung erhält er hier von Ludwig Möhring (Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie) sowie Wirtschaftsminister Althusmann.
Und spätestens JETZT muss man hellhörig werden! Denn worum geht es hier im Detail?
Seit Jahrzehnten wird in Wasserschutzgebieten, in denen u.a. Trinkwasser für Hunderttausende Menschen gewonnen wird, Erdgas und Erdöl gefördert – mit allen Risiken und Gefahren. Und diese sind nicht nur statistisch zu betrachten, sondern real: bei 149 Störfällen in den letzten 10 Jahren sind 232 Millionen Liter umweltschädliche Stoffe ins Erdreich gelangt und haben dieses über Jahre verseucht. Der größte Störfall in Emlichheim (hier sind 22 000 Kubikmeter Lagerstättenwasser auf Grund eines durchgerosteten Rohrs über Jahre ins Erdreich gesickert) ist bis heute nicht saniert.
Im Landkreis Verden wird im Wasserschutzgebiet Panzenberg (das u.a. die Stadt Bremen mit Trinkwasser versorgt) nur wenige hundert Meter entfernt seit Jahren Erdgas gefördert – mitten im Schutzgebiet! Es ist schier unfassbar.
Nach Bürgerprotesten versucht die Landesregierung seit Jahren einen Weg zu finden, um Umwelt- und Naturschutz vor wirtschaftliche Interessen zu bringen – leider erfolglos. Die neue Verordnung von gestern reiht sich hier nahtlos ein und kann erneut als Kniefall vor der erdöl-/erdgasproduzierende Industrie gesehen werden. Statt Lösungen folgt weiter Unterstützung für die wirtschaftlichen Interessen der Industrie.
Herr Lies feiert einen sog. 10-Punkte-Plan als richtigen Weg für mehr Umweltschutz – doch der Teufel liegt wie so oft im Detail: in der neuen Verordnung werden NEUE Bohrungen für Erdgas und Erdöl in Wasserschutzgebieten untersagt. BESTEHENDE Bohrungen haben weiterhin Bestandsschutz und können weiter betrieben werden. Zudem sind Querbohrungen erlaubt (einesog. Ablenkungsbohrung kann problemlos von einer bestehenden Bohrung über mehrere Kilometer abgeleitet werden), genauso wie Unterbohrungen von Wasserschutzgebieten. Ebenfalls fehlt der Verordnung ein Ausstiegsdatum für die Förderung. Auch die Prüfungen in den Wasserschutzgebieten bleiben freiwilliger Natur. Somit bleibt im Fazit: alles bleibt, wie es ist.
Der BUND ist aus den Verhandlungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt ausgestiegen; Zitat: „die Vereinbarung beruht auf unkonkrete Formulierungen zugunsten der Förderindustrie„.
Somit ziehen wir als Fazit: auch wenn es keine neuen Bohrungen in Wasserschutzgebieten geben wird, ist der Steigerung der Förderproduktion durch weiterhin erlaubte Ablenkungsbohrungen Tür und Tor geöffnet. Und für alle anderen Gebiete außerhalb der Wasserschutzgebiete ist diese Vereinbarung ein Freibrief für die Erdgas- und Erdölförderunternehmen: erst die Förderzinsabgabe senken – dann unter dem Deckmantel des Naturschutzes Freibriefe verteilen. Und ein Ende ist nicht in Sicht.
Neue Löcher braucht das Land? Zum Nulltarif! Ausstieg bis 2040? Bis dahin sind unsere Förderstätten ausgefördert, die Klima-und Naturschäden überlassen wir wie gehabt den nächsten Generationen.
Und wenn die Landesregierung dann weiterhin das Märchen vom sauberen Erdgas als Brückentechnologie verbreitet, schließt sich der Kreis und das Greenwashing ist perfekt.
Doch nicht mit uns: NoMoorGas!
https://www.zeit.de/news/2021-03/29/umweltschutz-vereinbarung-zur-oel-und-gasfoerderung-kritisch
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/niedersachsen_1800/Neue-Richtlinien-bei-der-Erdgasfoerderung,ndsmag41342.html
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Keine-neuen-Erdgas-Bohrungen-in-Trinkwasser-Schutzgebieten,trinkwasser426.html
https://www.weser-kurier.de/region/niedersachsen_artikel,-keine-neuen-bohrungen-in-wasserschutzgebieten-_arid,1967348.html