Mahnwache vor dem niedersächsischen Landtag / Stellungnahme

Im niedersächsischen Landtag findet heute die Anhörung zum Thema Erdöl-/Erdgasausstieg gemäß Drucksache 18/7723 statt (siehe vorherigen Post). Zu dieser Anhörung wurden wir als BI nicht geladen, möchten aber in Form einer Mahnwache dennoch auf die aus unserer Sicht weiterhin bestehenden Probleme hinweisen. Eine Stellungnahme unsererseits findet sich unten und wurde heute als „Blauer Brief“ an den Ausschuss überreicht. Imke Byl (MdL, B90/Die Grünen) hat diesen Brief stellvertretend entgegen genommen. Wir hoffen, wir können damit die zuständigen Politker*innen im Ausschuss erreichen.

Freiwillige schriftliche Stellungnahme zur Anhörung am 14.02.2022 zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/7723

14. Februar 2022

Brief an den Ausschuss für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz des niedersächsischen Landtags.

Sehr geehrter Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Herr Axel Miesner, sehr geehrte Mitglieder dieses Ausschusses.

Wir bewerten Ihre Anstrengungen in Hinsicht auf die Umwelt, den Klimaschutz und die Energiewende in Niedersachsen im Bereich der Erdgas- und Erdölförderung für nicht ausreichend.

Im Verlauf der letzten Jahre, hat ihr Ausschuss die Aufgaben im Sinne des Wohles der Umwelt und des Klimas nach unserer Meinung nicht ausreichend erledigt.

1) Luftmessungen rund um die Förderanlagen und Lagerstätten in Niedersachsen

Das von Herrn Sikorski (ehem. LBEG-Präsident) mehrfach in Präsenztreffen mit Vertretern und Vertreterinnen der Bürgerinitiativen aus Rotenburg und Verden sowie z.T. anwesenden SPD und CDU-Landtagsabgeordneten der Landkreise, gewünschte Luftmessungsprogramm rund um die Förder- und Lagerstätten in Niedersachsen, hätte nach seinem Willen längst abgeschlossen und ausgewertet sein sollen. Als das Gesprächsformat auf eine neue Ebene und Teilnahme des Geschäftsführers des Bundesverbandes für Erdgas, Erdöl und Geoenergie erweitert wurde, legte dieser bereits ein Konzept für eigene Messungen vor, die bereits durchgeführt, abgeschlossen, bewertet und veröffentlicht sind. Das Ergebnis ist auf Grund des Messkonzeptes, wie vielfach erwartet: Es gebe keinerlei Belastungen für die Bevölkerung im Umkreis der von dem Bundesverband bestimmten Messstationen.

Die von der Landesregierung aus dem Haushalt zu finanzierende und in Auftrag zu gebende Messkampagne, ist bis heute nicht gestartet. Die Messdaten hätten schon längst vorliegen können. Diese Aufgabe ist im Sinne des Wohles der Umwelt und des Klimas und der Gesundheit der Menschen nicht ausreichend bearbeitet worden.

2) Stakeholder-Dialog zur Erdgas- und Erdölförderung in Niedersachsen

Die niedersächsische Landesregierung initiierte im September 2018 den sogenannten Stakeholder-Dialog, einen vom Umweltministerium moderierten Facharbeitskreis, um die Rahmenbedingungen für umweltgerechte Erdgas- und Erdölförderung in Niedersachsen festzulegen und unter anderem ein mögliches Verbot der Erdgas- und Erdölförderung in Wasserschutzgebieten auszusprechen. Dieses von vielen Umwelt- und Bürgerorganisationen angestrebte Ziel ist nicht erreicht – lediglich Neubohrungen in Wasserschutzgebieten sind untersagt. Der Bestandsschutz der bestehenden Förderbohrungen in Wasserschutzgebieten kann weiter genutzt und zu jeder Zeit durch eine Ablenkbohrung erweitert werden. Bei heutiger Technik können bis zu 10km weit durch eine Ablenkbohrung neue Lagerstätten erreicht werden. Es fehlt eine Raumordnung im Untergrund. Ein Abteufen von Erdgas- und Erdölförderbohrungen außerhalb von Wasserschutzgebieten sind jederzeit möglich – auch in Naturschutzgebieten.

Das von Umweltminister Olaf Lies in Auftrag gegebene Gutachten zur Unbedenklichkeit von Bohrungen in Wasserschutzgebieten und somit Begründung, dass die Landesregierung bestehende Förderungen nicht untersagen darf, belegt unseres Erachtens einzig die Unbedenklichkeit zum Zeitpunkt der Bohrung bzw. der Abteufung. Die Folge- und Ewigkeitsschäden der Förderung, Austritte von Schadstoffen in Luft- Boden- Wasser, s. Umweltschaden in Emlichheim und weiter zu erwartenden Erdbeben in den Erdgas- und Erdölfördergebieten (ausführlich vom LBEG dokumentiert), die nicht bis zu 100 Prozent ausgeglichen werden sowie psychische und physische Belastung der Menschen und Tiere im Umfeld, werden nicht bedacht. Der Maßnahmenkatalog des Stakeholder-Dialogs ist von 48 auf 10 Maßnahmen gekürzt. Davon sind einige eher administrative, rechtliche oder leitlinienartige Hinweise.

Den angetragenen Empfehlungen aus dem Stakeholder-Dialog seitens des Klima-und Wasserschutzes ist nicht ausreichend Sorge getragen. Das Gutachten stellt die möglichen Gefahren durch die Förderung nach der Ablenkbohrung, bzw. Abteufung nicht dar.

3) Förderzinserlass für erdgas- und erdölfördernde Unternehmen in Niedersachsen bis 2030

Der Antrag der niedersächsischen Landesregierung den erdgas- und erdölfördernden Unternehmen in Niedersachsen den Förderzins für 2020 rückwirkend komplett und bis 2030 – verbindlich für alle kommenden Regierungen – erheblich zu erlassen, wurde im Januar 2021 im Eilverfahren beschieden. Der Erlass des Förderzinses begründete sich auf befürchtete Forderungen von der Industrie, geleistete Förderzinszahlungen zurückzahlen zu müssen. Anlass war ein nicht vergleichbares verwaltungsrechtliches Urteil in Mecklenburg-Vorpommern. Das vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Gutachten zur Begründung dieses Antrages haben wir mehrfach zur Einsicht angefragt, was uns bisher nicht bewilligt wurde, obwohl Wirtschaftsminister Herr Dr. Bernd Althusmann bei einem öffentlichen Gespräch mit uns in Lilienthal, die Einsicht persönlich zugesagt hatte. Wir sind überzeugt, dass die Gesetzesänderung ein politisch falsches Zeichen ist, als Investition in fossile Energieträger zu werten ist, den Landeshaushalt bis zu 1 Million Euro Einnahmeverlust beschert und vermutlich ist sie auch rechtswidrig. Ein Rechtsstreit hätte Klarheit gebracht. Ob sie gegen EU-Beihilferecht verstößt, lassen wir in Brüssel mittels einer Beschwerde bei der EU-Kommission derzeit noch prüfen.

Der Antrag der niedersächsischen Landesregierung den Förderzins auf 10 Jahre erheblich zu reduzieren, ist ungenügend erörtert und übereilt entschieden worden, vor einer gerichtlichen Prüfung. Die Landesregierung hat nach unserer Einschätzung dem Druck der Industrie nicht standgehalten und ist den Weg des geringsten Widerstandes gegangen.

4) Kavernen leer ­– Ein Druckmittel der Industrie

Niedersachsen überlässt den Unternehmen (STORAG / GASPROM), die für die Bevölkerung gedachten Erdgasspeicher zur Notversorgung, z.B. in Etzel/ Rheden. Die Bürgerinitiativen klagen über Bodenabsenkungen und Überschwemmungen auf Grund des Absinkens. Hat die Landesregierung die Grundversorgung der Bevölkerung im Blick? Die Speicher sind in diesem Winter nur zu einem verschwindend geringen Anteil gefüllt. Der Druck auf die Landesregierung zum Import von Erdgas aus dem Osten wird damit hochgehalten.

Hat die Landesregierung zu viel Vertrauen in die Energieversorger gesetzt?

Zusammenfassend sehen wir alle diese Punkte als gut vorbereitete Maßnahmen der Erdgas- und Erdölindustrie, die Landesregierung unter Druck zu setzen:

1) Eigene Luftmessungen des BVEG

2) Stakeholder-Dialog zugunsten der Industrie: Weitere Förderung in Wasserschutzgebieten und neuen Bohrungen außerhalb der Wasserschutzgebiete.

3) Förderzinserlass wie beschrieben bis 2030

4) Kavernen leer – die weltweite politische Lage spielt der Erdgas- und Erdöllobby gerade zusätzlich Argumente zu:

5) Nordstream 2, LNG USA, Ukrainekonflikt und EU-Greenwashing von Erdgas

6) Mit großer Sorge betrachten wir das CETA-Abkommen in Hinblick auf Entschädigungszahlungen der eventuell nicht geförderten fossilen Rohstoffe.

Unser Fazit:

Wie lange wird unsere Landesregierung noch all diesen Druckmitteln nicht gewachsen sein? Sie hat es versäumt sich rechtzeitig um eine Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu kümmern. Agieren statt reagieren! Die Lösung kann nur sein, jetzt mit voller Kraft in die Energiewende zu gehen, weg von den fossilen Energieträgern, anstatt weiter eine klimaschädliche Industrie durch den Förderzinserlass, zukünftige Bohrungen durch Ablenkbohrungen in Wasserschutzgebieten, fehlende Kontrollmaßnahmen (Luftmessung), politischen Druck etc, weitere Jahrzehnte zu unterstützen. Lange wissen wir, dass fossile Energieträger erstens endlich und zweitens klimaschädlich sind.

Wann gibt es einen konkreten Ausstiegszeitplan der fossilen Rohstoffgewinnung in Niedersachsen?

Wann wird der vorliegende Antrag für einen Ausstiegsplan und ein Förderende beschieden?

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